null Menschen mit Autismus – ein Mehrwert für Unternehmen

18. Abensberger Fachtagung im Berufsbildungswerk St. Franziskus:

Menschen mit Autismus – ein Mehrwert für Unternehmen

 

Die 18. Abensberger Fachtagung „Menschen mit Autismus – Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Mehrwert für Ihr Unternehmen!“ lieferte Erkenntnisse aus dem Projekt AUT-1A. Sie zeigte Perspektiven auf und will Unternehmen ermutigen, sich mit ein wenig Mut darauf einzulassen, jungen Menschen mit Autismus als hoch qualifizierten Fachkräften eine Chance in ihrem Unternehmen zu geben.

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Bild v.li.: Christina Weißenfels (BMAS), Dr. Katrin Reich (B.B.W.), Sybille Sinzger (Agentur für Arbeit Regensburg, Teamleitung Berufl. Reha), Prof. Dr. em. Matthias Dalferth, Tanja Ederer (B.B.W.), Veronika Sweet (Sweet & Partners, Dialog & Change Management, Geschäftsführung), KJF-Direktor Michael Eibl, Gesamtleiter B.B.W. Walter Krug

Wie schon im vergangenen Jahr setzte das B.B.W. auf ein hybrides Format. Der Gesamtleiter des Berufsbildungswerkes St. Franziskus in Trägerschaft der Katholischen Jugendfürsorge Regensburg (KJF), Walter Krug, freute sich über die Gäste aus ganz Deutschland. KJF-Direktor Michael Eibl begrüßte die Referentinnen und Referenten aus Politik, Hochschule und der Praxis sowie die vielen Netzwerkpartner, Fachkräfte und Unternehmer. „Das Berufsbildungswerk gilt bundesweit als anerkannte, spezialisierte Einrichtung zur Ausbildung junger Menschen mit einer Autismus-Spektrum-Störung. Wir sind sehr froh, dass wir den jungen Menschen mit einer guten Ausbildung den Weg ins Berufsleben ermöglichen. Gemeinsam mit Partnern der freien Wirtschaft kann es gelingen, dass sie selbstbestimmt und selbstständig im Leben stehen“, so Eibl. Aktuell sind 169 junge Menschen mit einer Autismus-Spektrum-Störung im B.B.W. in Abensberg in Ausbildung oder in einer Berufsvorbereitenden Maßnahme. Das macht ungefähr ein Drittel der rd. 483 Maßnahmeteilnehmenden aus.

Gütesiegel „Autismusgerechtes Berufsbildungswerk

Unter dem Gütesiegel „Autismusgerechtes Berufsbildungswerk“ – empfohlen durch autismus Deutschland e. V hat ein Fachausschuss der Bundesarbeitsgemeinschaft der Berufsbildungswerke 65 Kriterien für wirksame Qualifizierungsprozesse in Berufsbildungswerken zusammengestellt. Inzwischen haben sich 13 Berufsbildungswerke – unter ihnen das B.B.W. Abensberg – einem aufwändigen Zertifizierungsprozess gestellt. Ausgezeichnet mit dem Gütesiegel sind sie nun ausgewiesene Experten in dieser Arbeit. Wie dieses fachliche Wissen an die Betriebe des ersten Arbeitsmarktes weitergegeben werden kann und wie sie davon profitieren können, zeigte der Fachtag zum Abschluss des Forschungsprojektes AUT-1A.

Das Projekt wurde durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales aus Mitteln des Ausgleichsfonds für überregionale Vorhaben zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben finanziert. Es endet nun nach einer Laufzeit von 27 Monaten. Zusammen mit den Berufsbildungswerken in Lingen und am Timmendorfer Strand haben Prof. Dr. Matthias Dalferth und die Projektmitarbeiterinnen Dr. Katrin Reich und Tanja Ederer im BBW. St. Franziskus die Barrieren an der zweiten Schwelle zum allgemeinen Arbeitsmarkt aus Unternehmenssicht erforscht.

Aus dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales wurde Staatssekretär Dr. Rolf Schmachtenberg für sein Grußwort digital zugeschaltet. Darin betonte er die gute Arbeit der Berufsbildungswerke zur Förderung der beruflichen Ausbildung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit Behinderungen. Sie sei ein wertvoller Baustein im leistungsfähigen System der beruflichen Rehabilitation. „Rund 66 % der Teilnehmenden in den BBW werden innerhalb von 12 Monaten nach erfolgreich abgeschlossener Maßnahme in den allgemeinen Arbeitsmarkt integriert. Im BBW Abensberg waren es zuletzt sogar 70 %“, so Schmachtenberg. Dennoch ist es für den Personenkreis der jungen Menschen mit Autismus nicht leicht auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen.

Im Projekt AUT-1A zeigte sich: Obwohl Menschen aus dem Autismus-Spektrum in der Regel über gute Schul- und Ausbildungsabschlüsse verfügen, sind sie bisher an der Teilhabe am Arbeitsleben benachteiligt. Die Gründe dafür liegen vor allem in den für sie charakteristischen Einschränkungen wie etwa Schwierigkeiten in der Kommunikation und sozialen Interaktion, der anderen Wahrnehmungsverarbeitung, den ungewöhnlichen Denk- und Problemlösungen, untypischen Verhaltensweisen sowie dem Bedürfnis nach Beständigkeit. Dies führt in Unternehmen häufig zu Missverständnissen, die zur Folge haben, dass Arbeitsverhältnisse nicht verlängert werden. Auch werden, mangels ausreichenden Wissens über die Diagnose Autismus, Arbeitsumgebungen nur unzureichend autismusfreundlich gestaltet. Gesamtleiter Walter Krug lenkte in seinem Beitrag den Blick auf die Ressourcen und Potenziale junger Autisten: „Dabei überraschen uns diese jungen Menschen immer wieder durch ihre Leistungsbereitschaft, die Zuverlässigkeit und ihre Arbeitsergebnisse“, so Krug aus dem Alltag des B.B.W.

Verständnis für das Anderssein

Die Erfahrungen in Unternehmen bezeichnen Dr. Katrin Reich und Tanja Ederer als ambivalent. So gäbe es durchaus Unternehmen, die sehr positive Erfahrung mit der Beschäftigung von Autisten gesammelt hätten und andere mit eher negativen Erfahrungen. Quantitative und qualitative Untersuchungen im Projekt AUT-1A zu den förderlichen und hinderlichen Faktoren einer nachhaltigen Beschäftigung von Beschäftigten aus dem Autismus-Spektrum ergaben: Die Unternehmen brauchen externe Begleitung, dauerhafte Ansprechpartner bei Problemen, eine autismusgerechte Arbeitsplatzgestaltung, eine Reduzierung der Umgebungsreize und ausreichend Informationen, gerade auch für Kolleginnen und Kollegen. Entscheidend sei auch die Toleranz der Führungskräfte „anderes Verhalten“ zu akzeptieren. Das wirkt sich positiv auf die nachhaltige Beschäftigung von autistischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus. Haben Arbeitgeber Verständnis für das Anderssein junger Menschen mit Autismus und bewerten sie anderes Verhalten als Teil der Normalität, so wird deren Eingliederung mit großer Wahrscheinlichkeit gelingen.

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Text: Christine Allgeyer/ Bild: Thomas Griebenow