null "Wenn das Leben junger Menschen gefriert"

19. Abensberger Fachtagung des Berufsbildungswerkes „Angst und Verzweiflung-wenn das Leben junger Menschen gefriert“!

 

Die 19. Abensberger Fachtagung des Berufsbildungswerks Abensberg (B.B.W.) beleuchtete ein wichtiges Thema unserer Zeit: Angst und Verzweiflung. Der Gesamtleiter des B.B.W. Walter Krug und sein Team haben namhafte Referentinnen und Referenten eingeladen. Rund 200 Teilnehmende aus ganz Deutschland waren live und online mit dabei.

Bild v.l. hinten: BBW Gesamtleiter Walter Krug, Moderator und Temaleiter Wohnen Denis Kirchner, Reha-Akademieleiterin Petra Jeske, KJF-Direktor Michael Eibl, Keynote Speaker Prof. Dr. Andreas Dengel, Marion Huber-Schallner (3. Bürgermeisterin Abensberg-vorne rechts) und Luisa Eichler (vorne links - Keynote und BBW Teamleitung Bereich Wohnen)

Erfahrungen, Strategien, Perspektiven

Walter Krug, Gesamtleiter des Berufsbildungswerkes Abensberg meint: „Angst ist eine der wichtigsten Grundemotionen. Sie hält uns wachsam und warnt uns, wenn wir uns schützen müssen. Schwierig wird es jedoch, wenn Intensität und Dauer der Angst uns und unsere Entwicklung beeinträchtigen, wenn Angst zum stetigen Begleiter wird; dieser Situation sind auch junge Menschen in Berufsbildungswerken oftmals ausgesetzt“. „Das Thema der heutigen Fachtagung könnte nicht aktueller und wichtiger gewählt sein. Nur durch engagierten, interdisziplinären Austausch ist schnelle, kompetente Hilfe möglich, damit die Hilfesuchenden ihre Angst in den Griff bekommen. Herzlichen Dank an alle, die zum Wohl der jungen Menschen an einem Strang ziehen!“, so KJF-Direktor Michael Eibl bei seinem Grußwort zur Tagung.

Ich dachte lange Zeit, ich hätte das alles verdient…“

Angst und Verzweiflung gewinnen in der aktuellen Situation junger Menschen in Deutschland eine besondere Bedeutung. Multiple Krisenthemen verunsichern sie und prägen eine negative Sicht auf die Potentiale des eigenen Lebens. Gerade junge Menschen in der Beruflichen Rehabilitation bringen aufgrund früherer Erfahrungen vielfache Ängste mit. So wie der 22-jährige Marius: „Ich kenne Angst und Furcht nur zu gut. Denn ich wurde als Kind oftmals einfach ausgeschimpft und ausgesetzt.“ Junge Menschen wie er finden häufig lange Zeit keinen Ausweg, was die Abwärtsspirale begünstigt.

„Mein Verhalten wurde immer aggressiver und meine Angst immer größer. Ich dachte, ich hätte das alles verdient “, so der junge Mann. „Hier bekam ich schnelle Hilfe durch den Psychologen im Haus und durch viele andere auch. Ich hatte bisher alles verdrängt und versucht mit meinen Ängsten irgendwie klar zu kommen. Ich fühlte mich zum ersten Mal sicher. Es war wie eine totale Entlastung. Ich lernte mich und mein Verhalten besser kennen, erkannte meine Trigger und mithilfe des Psychologen gelingt es mir immer besser mein Verhalten zu kontrollieren. Dennoch brauche ich nach dem B.B.W. noch Unterstützung um die Ängste weiterzubearbeiten. Mein größter Wunsch ist, angstfrei zu leben und das man versteht, warum ich so bin wie ich bin.“

Bild: Marius F.

Fachlicher Austausch auf höchstem Niveau

Walter Krug, Gesamtleiter des Berufsbildungswerkes Abensberg, erklärt: „Unser Auftrag als erwachsene Begleiterinnen und Begleiter liegt darin, den Betroffenen Sicherheit zu geben, sie zu ermutigen, dass sie neue Erfahrungen, Strategien und Perspektiven für sich entwickeln können.
Der alleinige Fokus auf Angst führt zu einem Tunnelblick – doch gemeinsam und professionell betrachtet lässt sich diese Problemtrance überwinden.
Keynote Speaker:in Prof. Dr. Andreas Dengel, Goethe – Universität Frankfurt, Forbes Liste „30 under 30“ und Luisa Eichler, Teamleiterin im Bereich BBW Wohnen, wagten in ihrem Vortrag, in Form eines Zwiegesprächs, einen Blick in die Generationen mit der Frage: „Wie geht es weiter mit mir und der Welt? Wie unterscheiden sich die Ängste der Generation Z von den Vorgängern… und was kommt danach“?

Bild: Prof. Andreas Dengel (Universität Frankfurt) und Luisa Eichler (BBW)

Professor Dr. Michael Kaess, Ärztlicher Direktor der UPD Bern, der virtuell aus der Schweiz zugeschaltet war, zeigte in seinem Beitrag unter anderem die Entstehung von Suizidalität bei jungen Menschen auf, legte aber den Fokus auf die Prävention: „Würden wir mehr in die Prävention investieren, so würden sich die bisher steigenden Raten an psychischen Erkrankungen sowie Suizidversuchen senken und damit die Kosten im Gesundheitswesen reduzieren“, so Prof. Kaess.

rPof. Dr. med. Michael Kaess im Livestream - Thema "Im Strudel - (suizidale) Krisen bei jungen Menschen"

Dr. Anja Berger, Mitarbeiterin des Projektes „kopfhoch.de“ gab Einblicke in ihre Beratungswelt. „Junge Menschen sind durch die aktuellen, politischen Entwicklungen und durch das Weltgeschehen mit einhergehenden Sorgen und (Zukunfts)ängsten sehr belastet“, so Berger. „Welche und Herangehensweise gibt es, wenn jungen Menschen nicht mehr weiterwissen? Die psychosoziale Beratung via Messenger, Telefon und Social Media gehört zu ihren wichtigsten Instrumenten.
Im Anschluss an die Vorträge fanden zahlreiche, interessante Workshops statt und boten die Möglichkeit, sich mit konkreten Fragen und Schwerpunkten auseinanderzusetzen:

Lifeline and Profession, Zentrum für Traumafachberatung, Resilienz, Personalentwicklung/ Supervision. „Angst hemmt Entwicklungsprozesse und die Teilhabe am alltäglichen Leben. Gerade bei jungen Menschen, die sich im Reife-, Finde- und Werdeprozess ihres Lebens befinden, hat Angst fatale Folgen. Jeder zehnte Jugendliche leidet an Angstzuständen – diese Tatsache führt zu schwierigen Bedingungen in der Identitätsentwicklung“, berichtet Traumafachberaterin Yvonne Landefeld.

Über Suizidalität – Schutz- und Risikofaktoren diskutierte das BBW-Kernteam S Dipl-Psych. Andreas Steigenberger und Dipl. Päd. Florian Henke mit Ihren Workshopteilnehmenden.

„Halten und Aushalten – Beziehungsarbeit als Anker in der Perspektivlosigkeit“ (Dr. Matthias Lindner | Sozialarbeiter und Referent an der Alice-Salomon-Hochschule). „Mein Beitrag ist ein Appel dafür, den Jugendlichen nicht mit den üblichen Motivationsreden zu begegnen, sondern ehrlich und authentisch gemeinsam mit ihnen ihre Lebenslage zu betrachten. Ausgestattet mit dem Wissen, dass die Gesellschaft wenig Möglichkeiten für diese Jugendlichen vorhält, geht es darum ihnen Beziehung und Halt zu geben, wo sonst nur Unsicherheit herrscht“, so Dr. Lindner.

Des Weiteren sprach Johanna Bauer, Fachärztin für Kinder- Jugendpsychiatrie, Schön Klinik Roseneck, zum Thema „Von der Angst zur Angsterkrankung“. „Die als sehr unangenehm empfundene Emotion Angst ist eine biologisch äußerte sinnvolle Reaktion auf (potentielle) Gefahren. Übersteigt die Angst ein gewisses Maß, kann dies in einer Angststörung münden. Nach unserer gemeinsamen Zeit können Sie, hoffnungsvollerweise, sicher durch die Thematik navigieren“, so die Fachärztin.

Bei einem gemeinsamen Abschluss im Plenum zum Thema: „Resilienz gewinnen – Wie Jugendliche der Angst trotzen und ihre Kraft nutzen lernen“ diskutierten Hans Kiefl, Arzt für KJPP, Diplom-Psychologe, Oberarzt für Liaisondienste an der Kinder- und Jugendpsychiatrie Regensburg, und Walter Krug, Gesamtleiter des B.B.W. St. Franziskus Abensberg.

Das Fazit der Veranstaltung liegt auf der Hand: Kräfte und Wissen zu bündeln zum Wohle der jungen Menschen.

Durchs Programm führten Petra Jeske (Leiterin der Abensberger Reha-Akademie und Teamleiter Denis Kirchner. Für einen musikalischen Höhepunkt sorgte Felix Merl, Mitarbeiter im Bereich Wohnen, bekannt als Rapper FEEL.iks  mit seinem Song „Niemals Genug“

Bild: Felix Merl mit seinem Song "Niemals Genug" ...youtube: Feeliks

Text: Silvia Haumer/ Olga Arnstein; Foto: Sabrina (Auszubildende Bereich E-commerce)